SLV Halle, September 1953. Irene Weiß erhält ihr Zeugnis zur Lehrschweißerprüfung mit Note 2. Was heute für uns normal erscheint, ist vor über 70 Jahren noch ein Artikel auf der Titelseite der überregionalen Tageszeitung „Neues Deutschland“, damals das Zentralorgan der SED. Warum? Sie ist die erste Lehrschweißerin Deutschlands. Seitdem sind Frauen nicht mehr von unseren Werkbänken und aus unseren Hallen wegzudenken.
Der Internationale Frauentag ist eine Gelegenheit, die Errungenschaften von Frauen in verschiedenen Bereichen zu feiern und zu würdigen. Von starken Pionierinnen bis hin zu modernen Wegbereiterinnen haben Frauen in der Industrie einen unermüdlichen Beitrag geleistet, wie die Geschichte von Irene Weiß exemplarisch zeigt. Als erste Frau, die die Lehrschweißerprüfung in Deutschland abschloss, brach sie Barrieren und stellte stereotype Vorstellungen in Frage.
Wie vielen Menschen war auch Irene Weiß nach dem 2. Weltkrieg als Umsiedlerin nach Mecklenburg gekommen. Ohne Vater war sie nun die Versorgerin für ihre Mutter und ihre vier jüngeren Brüder. Statt ihrem Traumberuf als Schlosserin nachzugehen, arbeitete sie auf mehreren Baustellen und Montagestätten in Neubrandenburg. Im Herbst 1952 erfuhr sie durch eine Zeitungsannonce, dass auf der Mathias-Thesen-Werft eine Umschulung zum Schweißer angeboten wurde. Da im zweiten Weltkrieg fast ausschließlich Frauen in Schweißbetrieben als ungelernte Kräfte tätig waren, ergriff Irene mit 23 weiteren Frauen die ihnen gebotene Chance.
Die Lehrzeit war stressig: Von 6:00 bis 14:00 Uhr stand sie in der Schweißbox, um praktische Proben zu schweißen, nachmittags fand bis 18:00 Uhr der theoretische Unterricht statt und abends ab 20:00 Uhr traf sich die Lerngruppe zum Diskutieren des gelernten Stoffes. Zudem trotze sie dem anfänglichen Widerstand und der Geringschätzung ihrer männlichen Kollegen. Schließlich fand sie auch deren Rückhalt und begann im April 1953 gemeinsam mit 15 weiteren Männern den Lehrschweißerlehrgang. Von nun an betrachteten ihre Lehrgangskollegen sie als gleichberechtigt. In den Prüfungen musste sie gleiche Leistungen wie die Männer erbringen, was zuvor als unzumutbar für eine Frau galt.
Wir gratulieren allen Frauen zum Weltfrauentag. Lasst uns weiterhin Gleichberechtigung und Chancengleichheit fördern und ihre Errungenschaften sichtbar machen.